Verspiel nicht mein Leben!

Herzliche Grüße aus Hamburg!

Mein letzter Beitrag ist eine halbe bis dreiviertel Ewigkeit her. In der Zwischenzeit habe ich an meinem neuen Arbeitsplatz meine Probezeit erfolgreich beendet und Bastian Schweinsteiger hat sich entschieden, seine Vorbildfunktion aufzugeben.

Die Kampagne der Deutschen Automatenwirtschaft, für die Bastian Schweinsteiger sein Gesicht hergegeben hat, hatte ein Volumen von mehreren Millionen Euro. Ich bin enttäuscht. Von Herrn Schweinsteiger, der in Zusammenarbeit mit seinem Management wenig Weitsicht bewiesen hat und (wie eigentlich ständig und immer) von der Deutschen Automatenwirtschaft, die lieber Millionen in eine Kampagne für die Einhaltung von Regeln in Spielhallen steckt, die nachweislich seit 30 Jahren nicht eingehalten werden anstatt das Geld in Präventionsprojekte zu investieren.

Bei mir läuft es rund. Wer darf von sich schon behaupten, jeden Tag gerne zur Arbeit zu gehen? Ich gehöre zu dem kleinen Personenkreis, dem das zumindest zur Zeit vergönnt ist. Die Kolleginnen und Kollegen sind sympathisch, die Arbeit ist abwechslungsreich und das Büro an der Alster in Hamburg ist ein Träumchen.

Doch der eigentliche Grund für diesen Beitrag ist ein Workshop, auf dem ich im November war. Auf der Jahrestagung des Fachverbands für Glückspielsucht wurde ETAPPE – Angehörigenarbeit beim pathologischem Glücksspielen vorgestellt. Dies war einer von acht angebotenen Workshops und ich habe einer der beiden Referentinnen, Frau Sabine Härtl, zugesagt, Ihr Online-Programm in meinem Blog vorzustellen.

Auf der Seite „Verspiel nicht mein Leben“ wird das Programm EfA wie folgt beschrieben:

Angehörige von Menschen mit pathologischem oder problematischem Glücksspielverhalten benötigen aus unserer Sicht vor allem aus zwei Gründen Unterstützung: Zum einen können sie dazu beitragen, dass betroffene Glücksspielerinnen und Glücksspieler eine Behandlung aufnehmen. Zum anderen sind sie selbst schwer belastet und leben in sehr stressreichen Lebensumständen und haben daher ein hohes Risiko, eigene physische, psychische und soziale Probleme zu entwickeln.

Seit 2013 steht unter http://www.verspiel-nicht-mein-leben.de ein kostenfreies und anonymes Online-Angebot für Angehörige von problematischen und pathologischen Glücksspielern und Glücksspielerinnen zur Verfügung. EfA besteht aus insgesamt sechs Modulen; die Grundlage stellt ein psychoedukatives Konzept dar, das auf die Reduktion von Belastung durch die Vermittlung von Informationen ausgelegt ist. Dieses wird durch Übungen und Reflektionsanleitungen in verschiedenen Bereichen erweitert.

Modul 0 steht als Testmodul frei zugänglich zur Verfügung, für die Teilnahme an den übrigen fünf Modulen ist eine Registrierung notwendig. Diese kann anonym erfolgen, es ist lediglich die Angabe einer E-Mail-Adresse und eines frei wählbaren Benutzernamens und Passworts erforderlich. Idealerweise können die Teilnehmenden pro Woche ein Modul bearbeiten.

Bei Fragen können Sie sich sehr gerne an Sabine Härtl wenden: Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen, Tel. 089 53073020, E-Mail sabine.haertl@bas-muenchen.de

Ich möchte dieses Programm allen Angehörigen ans Herz legen. Die Belastungen, die durch das Zusammenleben mit pathologischen Spielerinnen und Spielern entstehen, führen im Laufe der Zeit dazu, dass Angehörige den Blick für das eigene Leben verlieren. In einem schleichenden Prozess entwickeln sich für Angehörige sehr häufig Lebenswelten, in denen sie nur noch die Probleme der Spieler abfedern und versuchen, nicht das eigene Leben zu leben, sondern machen sich von den Unwägbarkeiten der Spielsucht abhängig.

 

 

Dialog mit dem Suchtgedächtnis

Suchtgedächtnis: „Ey, Klaus, I bims, d1 Suchtgedächtnis. Was bimste am maken?“

Ich: „Ich genieße gerade den Abend nach einem erfolgreichen Tag.“

Suchtgedächtnis: „Wow, cool. Bedeutet: Bimst grad richtig happy?“

Ich: „Ja. Die letzten Wochen waren anstrengend und sehr frustrierend. Ich bin ja gerade im Bewerbungsprozess, um eine neue Stelle zu finden und ich habe bislang fast nur Absagen bekommen.“

Suchtgedächtnis: „Mkay?!“

Ich: „…und dann kommen doch heute tatsächlich innerhalb von 5 Stunden gleich vier Einladungen zu Vorstellungsgesprächen reingeflogen. Hammer, oder? Ich bin darüber sehr glücklich, denn endlich bewegt sich was und ich bin wieder optimistischer!“

Suchtgedächtnis: „Da kannst Du aber noch einen draufsetzen, Du Larry!“

Ich: „Wie meinst Du das?“

Suchtgedächtnis: „Ja, Alter, was meine ich damit wohl? Gönn‘ Dir! Gönn‘ Dir richtig, Mann. Zocken gehen!“

Ich: „Waaa?“

Suchtgedächtnis: „Is‘ der perfekte Abschluss für einen perfekten Tag! Na komm, um der alten Zeiten Willen!“

Ich: „Du spinnst ja wohl. Wo kommt das denn jetzt her? Lächerlich.“

Suchtgedächtnis: „Nee, ernsthaft. Überleg‘ mal: Schön vorm Automaten sitzen, zwischendurch eine Zigarette. Musst ja nicht viel einsetzen. Los! Überleg‘ mal!!“

Ich: „Also das kommt jetzt echt überraschend, Suchtgedächtnis, quasi wie ein Blitzschlag, aber da kann ich leider nichts für Dich tun. Ich akzeptiere diese Gedanken und lasse die dann aber einfach weiterziehen. Ist ja nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert. Hier kommen wir heute nicht zusammen.“

Suchtgedächtnis: „Arsch!“

Ich: „Dir zu Ehren werde ich gleich noch einmal kurz darüber schmunzeln.“

 

Letzte Woche habe ich noch darüber nachgedacht, dass mir schon seit Monaten die Zeit, die Muße und der passende Aufhänger fehlt, um mal wieder einen etwas persönlicheren Beitrag zu schreiben. Aber auf mein Suchtgedächtnis ist dann doch hin und wieder mal Verlass. Der vergangene Dienstag war wirklich ein wunderbares Beispiel für „Tief überwunden, großartigen Tag erlebt, super zufrieden in den Sessel sinken lassen und dann nicht relaxen, sondern: eine kleine Portion Spieldruck“.

Schön, dass es mir vergönnt ist, darüber zu schmunzeln und noch schöner ist es, dass ich das auch sofort wahrnehme. Ich habe direkt erkannt, dass zu dem Zeitpunkt etwas nicht passte. Letztendlich war ich aber von einem tatsächlichen Rückfall weit entfernt. Ich bin sogar ein bisschen froh über diese Situation, weil sie mir dabei hilft, auch weiterhin aufmerksam zu bleiben und die Abstinenz nicht immer als selbstverständlich anzusehen.

Natürlich bin ich in meinem Leben sehr viel häufiger rückfällig geworden, weil ich einen stressigen Tag hatte, aber hin und wieder gab es eben auch die Tage, an denen ich mich besonders belohnen wollte.

Seit Anfang November schreibe ich sehr regelmäßig Bewerbungen, weil ich für das Frühjahr 2018 eine neue Herausforderung suche. Zunächst hatte ich mir immer nur die Rosinen herausgepickt, mit dem Ergebnis, dass eine Absage nach der anderen im Postfach landete. Dann hatte ich meine Ansprüche heruntergeschraubt und auch das führte meist noch zu Absagen. Doch ich bin drangeblieben und habe mich immer wieder motiviert und nicht aufgegeben. Am Dienstag kamen dann die Einladungen zu den Vorstellungsgesprächen und ich konnte mein Glück kaum fassen.

Genau an solchen Tagen habe ich auch schon früher hin und wieder Spieldruck bekommen und dem selbstverständlich auch sehr oft nachgegeben.

Und was geht sonst so?

Seit Sonntag mache ich bei einer Aktion mit, die ursprünglich aus Belgien stammt. Mit 30 dagen zonder klagen startete die belgische Regierung einen Aufruf an alle Mitbürger, sich dreißig Tage lang mal nicht zu beschweren, nicht zu jammern und nicht zu meckern – und das nicht gegenüber anderen und auch nicht gegenüber sich selbst. Es ist bereits die dritte Aktion dieser Art. Zuvor habe es auch schon „30 Tage ohne Alkohol“ und „30 Tage ohne Zigarette“.

Was das soll? Sich ständig zu beschweren und sich an vielen kleinen Situationen kontinuierlich negativ aufzuhalten, führt zu Stress und setzt Cortisol im Körper frei. Das ist langfristig gesundheitsschädigend. Für mich persönlich ist diese Challenge aber eigentlich eher eine Rückkehr zu alten Mustern und soll es mir ermöglichen, im Alltag wieder besser auf mich zu achten.

In den letzten drei Jahren habe ich sehr aufmerksam meine Ansprüche an Gelassenheit und Akzeptanz im Auge behalten. Durch den Bewerbungsstress, meine momentane Arbeit und einigen problematischen Situationen im privaten Bereich habe ich es seit November nicht geschafft, meinen Wünschen an mich bezüglich der Gelassenheit gerecht zu werden.

Daher habe ich mich entschlossen, mitzumachen und bereits nach sechs Tagen spüre ich eine Veränderung. Für mich geht es hierbei nicht, jeden Tag peinlichst genau darauf zu achten, dass ich mich auf keinen Fall beschwere, sondern darum, mal wieder genauer hinzuschauen, wie ich handle und wie ich mit schwierigen Momenten umgehe.

Erst jetzt fiel mir mal wieder auf, wie häufig man sich über unwichtige Dinge aufregt und jammert. Ich bin ja überzeugt, dass es uns in den meisten Fällen nicht schlecht geht, weil wir Probleme haben, sondern weil wir nicht gut und selbstfürsorglich mit ihnen umgehen.

Plötzlich ist es mir im Alltag endlich wieder mal möglich, die lange Schlange an der Supermarktkasse hinzunehmen, den streikenden Drucker streiken zu lassen und bei vermeintlich „schlechten“ Wetter zu denken: „Es regnet. Endlich kann ich mal meine Regenhose benutzen“, und nicht „Verdammte Scheiße. Schon wieder so ein Dreckswetter. Langsam reicht’s! Die Sonne habe ich schon seit Tagen nicht gesehen.“

Ihr müsst nämlich wissen: Wetter ist zunächst einmal nur Wetter. Regen, Sonne, Schnee, Hagel, Sturm, Hitze – wir bewerten es und machen es aus unserer Sicht zu etwas Gutem oder Schlechtem. Ich empfehle Euch an der Stelle eine gesunde Portion Neutralität, denn so lange wir noch kein Wettermodifizierungsnetz erfunden haben, bleibt das Wetter an jedem Tag genauso, wie wir es vorfinden und wir können nichts daran ändern.

Während der vergangenen Tagen habe ich übrigens schon fünfmal geklagt. Aber immer nur ganz kurz. Dann ist es mir oder jemandem in meiner Gegenwart aufgefallen und ich habe es dann wieder sein gelassen.

Am Dienstag war das ganz besonders schwer. Da bin ich nämlich innerhalb von zehn Minuten zweimal mit dem Fahrrad in die falsche Richtung gefahren. Beim zweiten Mal dachte ich noch: „Ohhh! Das geht hier ja auch schön bergab wie auf dem Hinweg!“. Natürlich war das dann doch irgendwie unlogisch und nach knapp zwei Kilometern sah ich einen mir unbekannten Kreisverkehr auf mich zukommen und erkannte, dass es nun richtig schwer werden würde, bei eisigem Wind mit nur einem Gang vier anstatt zwei Kilometer ohne Klagen bergauf nach Hause zu fahren. Hab‘ mir dann einfach die ganze Zeit auf die Faust gebissen und musste dann auch irgendwann einfach darüber lachen.

Schönes Wochenende!

Habt Ihr Fragen? Wünsche? Braucht Ihr einen Rat?

Schreibt mir unter: dasist.derspielverderber@gmail.com

Niemand hat sich selbst gemacht

„Es sind die typischen Verhaltensweisen, die wir von uns selbst oder vertrauten Menschen kennen, die wir an den Tag legen, ohne nachzudenken: Der eine vermeidet Streit, die andere wird immer gleich aggressiv. Der eine jammert die ganze Zeit, wenn er mit eigener Unsicherheit konfrontiert wird, die andere kämpft dann bis zum Umfallen (…) diese Verhaltensschemata sind Tricks des Körpers, um Energie und Zeit zu sparen. Statt sich bei jedem Blick, Wort, Geruch oder auch in wiederkehrenden Situationen neu zu überlegen, was er tun soll, speichert der Körper in Kindheit und Jugend bestimmte Kombinationen ab, auf die er schnell zurückgreifen kann. Manche Reize lösen ab dann immer dieselben Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen aus, sehr schnell und ganz automatisch. Nur so schaffen wir es, in dieser komplexen Welt zurechtzukommen.“

(Zitat aus dem Artikel „Ich schaffe das“ in der ZEIT)

Bereits seit einigen Jahren ist es mir ein Bedürfnis, insbesondere bei Spielsüchtigen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine Abhängigkeit wie das pathologische Glücksspiel nicht einfach so plötzlich da ist, sondern es Umstände im Leben gibt oder gab, die die Entwicklung dieser Erkrankung begünstig(t)en.

Ob nun Alkohol- oder Drogensucht, Spiel- oder Internetabhängigkeit, Medikamenten- oder Kaufsucht, jede dieser Krankheiten ist nur das Endsymptom einer anderen Problematik.

Ein Schlüssel zu meiner Abstinenz war die DBT, die dialektisch-behaviorale Therapie. „Boah, jetzt kommt der wieder mit diesem Siegmund-Freud-Gelaber!“, wirst Du, lieber Leser jetzt denken.

Spinnen wir unser „Gespräch“ an dieser Stelle mal weiter, okay?

Du: „Boah, jetzt kommt der wieder mit diesem Siegmund-Freud-Gelaber!“
Ich: „Na, das ist jetzt nur zum Teil richtig. Ja, es ist Psychotherapie, aber genau der Ansatz von Freud ist es eben nicht. Bei der DBT geht nämlich nicht um das, was war, sondern das, was ist.“
Du: „Klugscheißer!“
Ich: „Ja, ich weiß…“
Du: „Ich geb‘ nächsten Monat einfach wieder meine EC-Karte bei meiner Freundin ab. Das hat letztes Jahr ja auch geklappt.“
Ich: „Für wie lange?“
Du: „Joah, och, so knapp sieben Wochen.“
Ich: „Okay, das ist doch schon mal was. Und warum erst nächsten Monat?“
Du: „Ich, ähh…“
Ich: „Ach so, nächste Woche kommt Dein Gehalt, oder?“
Du: „Ja.“
Ich: „Okay, also einmal noch zocken, oder? So um der alten Zeiten Willen, hmm?“
Du: „Genau. Für nächste Woche habe ich echt ein gutes Gefühl. Ich glaub, da kommt was…“
Ich: „Cool. Und dann? Also wenn was kommt, dann bist Du ja für diesen Monat im Plus. Gibst Du dann die Karte ab?“
Du: „Ja, genau.“
Ich: „Zusammen mit dem gewonnenen Geld, richtig?“
Du: „…“
Ich: „Du wirkst verunsichert.“
Du: „Weiß nicht… Wenn ich die Karte abgebe, ist das ja schon mal ein guter Schutz für mich.“
Ich: „Ja. Du wolltest ja aber nicht mehr spielen. Mit dem Plus spielst Du dann aber noch weiter, oder? Könnt‘ ja noch was kommen, richtig?“
Du: „Ach, lass‘ mich in Ruhe. Ich hab‘ eh nicht darum gebeten, mich mit Dir zu unterhalten, Klugscheißer.“

Ich: „Wenn Du mich bescheißt, bescheißt Du Dich selbst. Das ist die einzige tatsächlich negative Konsequenz, die Du befürchten musst.“

Langfristig ist das Geld, das der Spieler gewinnt, nur weiteres Geld um weiterhin spielen zu gehen. Langfristig ist die Abgabe der EC-Karte nur ein Vorhang, mit dem man den Raum abdunkelt, in dem sich die Sucht befindet. Langfristig ist die Sucht immer noch da, nagt am Spielsüchtigen. Der Drang, spielen zu gehen bleibt.

Woher kommt dieser Drang? Bei mir war am Anfang spielen nur Spaß, pure Freude, Zeitvertreib. Doch irgendwann übernahm das Spielen in meinem Leben eine Funktion. Mit Hilfe des Spielen konnte ich andere Dinge in meinem Leben ausschalten, verstecken, vergessen. Der Stress mit dem Chef, die Beziehung, die seit Ewigkeiten bröckelte, die Konflikte in der Familie oder auch der Gedanke, nichts Sinnvolles, Schönes, Großes aus meinem Leben gemacht zu haben.

Ich habe nie gelernt, wie man mit diesen Problemen umgeht, wie man Konflikte löst, ohne sich aufzuregen, böse zu werden oder abzuhauen. Das Spielen erzeugte dann bei mir eine nie dagewesene Befriedigung, bei der ich abschalten konnte. Der Spieldruck, dieser unsagbare Drang, tauchte dann immer wieder auf, sobald eine solche Situation in mein Leben trat.

Ich habe gelernt: Spielen mindert das Leid, schaltet negative Gefühle aus, also erinnert mich mein Körper immer wieder an diese Lösung, wenn es stressig wird.

Das Wunderbare hieran ist, dass Gelerntes verändern werden kann, unter anderem eben mit der DBT. In der vorletzten Woche erschien in der Zeit der Artikel Ich schaffe das, in dem der Sinn der DBT anhand der Geschichte einer Patientin phänomenal gut beschrieben wird. Der Artikel ist zwar sehr lang, aber falls jemand von Euch noch daran zweifelt, ob eine Therapie nun wirklich der richtige Weg ist, um einen Weg aus der Sucht zu finden, dann könntet Ihr heute einfach 20 Minuten später in die Spielhalle gehen und dafür noch ein Minimum Energie in diesen Artikel investieren. Später dann, wenn Ihr Euer Geld restlos verspielt habt, könnt Ihr ja neue Entscheidungen für Euer Leben treffen.

In dem Artikel wird allerdings nicht die DBT anhand der Spielsucht beschrieben, und doch wird sie auch bei Abhängigkeitserkrankungen angewandt. Besser noch! Im Grunde kann man die Werkzeuge der DBT in jeder Lebenskrise nutzen, um eine bessere Einstellung zu problematischen Gedanken und Handlungsweisen zu entwickeln.

„Manche Menschen können mit schweren Verlusten wie dem Tod des Partners oder des eigenen Kindes einen guten Umgang finden – andere bekommen wegen eines falschen Blicks oder Wortes eine Krise. Der eine blüht auf, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Stress bei der Arbeit weniger wird, der andere zerstört in dieser Phase alles, was er sich zuvor aufgebaut hat. Eine Krise bedeutet erst einmal, dass ein Mensch unter dem, was auf ihn einstürzt, leidet. Was dabei als belastend empfunden wird und wie hemmungslos das Leid ist, ist individuell sehr verschieden. Es hängt davon ab, was einer mitbringt: an Erfahrungen, seelischer Stabilität, an Freunden, Partnerschaft, auch an Geld. Und es hängt davon ab, was da hereinbricht in das Leben. So kann es passieren, dass jemand, der den Jobverlust gut wegsteckt, durch eine Trennung gebrochen wird. Oder andersrum.“

(Zitat aus dem Artikel „Ich schaffe das“ in der ZEIT)

In den Jahren meiner aktiven Spielerlaufbahn war ich nicht im Stande, auch nur eine einzige Krise schadlos zu überstehen. Spielen zu gehen war kontinuierlich meine Lösung für alle Probleme, selbst für die, die keine waren.

Schon im kleinsten Konflikt litt ich unfassbar stark und wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken und Gefühlen. Doch mit der DBT lernte ich, dass Konflikte manchmal lösbar sind, manchmal akzeptiert werden müssen und manchmal gar nicht an den Grundfesten einer Beziehung rütteln. Ich lernte, dass Konflikte zu jeder Beziehung dazu gehören und man an diesen Konflikten auch wachsen kann.

„Zieht ein Mensch sich beispielsweise bei kleinsten Streitigkeiten oder Kritik immer sofort zurück, liegt das vielleicht daran, dass er als Kind erleben musste, wie seine Umwelt ihn zurückwies, enttäuschte, verließ, wenn er versuchte, Kontakt aufzunehmen. Er hat gelernt, dass Beziehungen gefährlich sind und wehtun. Durch seinen Rückzug vermeidet er die Gefahr, sobald er das geringste Indiz entdeckt. Schemata sind Erinnerungsspuren, die unangenehme Erlebnisse verhindern sollen.“

(…)

„In der Absicht, uns zu schützen, verwischen Schemata die Information darüber, was wirklich gut für uns ist, und verleiten uns zu Handlungen, die unser Leid nicht lösen. Immer und immer wieder. (…) Das Ertragen von unangenehmen Gefühlen ist zentral für das Überwinden von Problemen. Schon Buddha hat als erste Wahrheit gelehrt: Leben bedeutet Leid; die Vermeidung des Leids führt zu schlimmerem Leid.“

Zitat aus dem Artikel „Ich schaffe das“ in der ZEIT

Das wären wir also: Radikale Akzeptanz. Um etwas in meinem Leben zu verändern, musste ich zunächst einmal erkennen, was mir überhaupt widerfuhr. Zunächst prüfte ich die Situationen, in denen ich plötzlich einen Reiz verspürte, spielen zu gehen. Was war da passiert? Was habe ich gedacht? Was habe ich gefühlt? Wie habe ich gehandelt? Wie hätte ich handeln sollen?

Von da an hieß es für mich „Üben! Üben! Üben!“. Wenn ich eine Situation analysiert hatte, versuchte ich, mit dem neuen Ergebnis meine Einstellung zu ähnlichen Situationen zu verändern. Empfand ich Schuld oder Scham, dann prüfte ich, ob mein Gefühl auch passte. Hatte ich wirklich Schuld? Hätte ich mich wirklich schämen müssen? Fünfmal überprüfte ich das. Zehnmal. Zwanzigmal. Hundertmal. Immer wieder stellte ich fest:

Mich traf keine Schuld. Es gab nichts Beschämendes in dem Moment. Also lernte ich neu, veränderte meine Gedanken, meine Einstellung zu bestimmten Problemen in meinem Leben.

Ich: „Der spielverderbende Klugscheißer hat also etwas dazu gelernt, etwas neu gelernt. Also wenn ich das schaffe, dann schaffst Du das doch bestimmt auch, oder?

Du: „Weiß‘ nicht. Ich glaub‘, so süchtig wie Du bin ich gar nicht. Aber sollte ich irgendwann nicht mehr weiter wissen, schreibe ich Dich bestimmt nochmal an.“

Ich: „Sehr gerne!“